Tübinger*innen sagen Ja zur Stadtbahn

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Tübinger Blätter-Autor und Auto-Freak

Tübinger Blätter-Autor und Auto-Freak

Jochen Gewecke

Jochen Gewecke

Tübingen, Du kleine große Stadt

Tübingen, na klar: Du liegst uns am Herzen.
Hier leben und hier lernen wir. Hier arbeiten und hier forschen wir. Hier heilen wir – und werden hoffentlich bald wieder gesund.

Du bist so familiär. In der Bar rufen sie mich beim Vornamen, beim Bäcker kennen sie mein Faible für Butterbrezeln. Afrobrasil auf dem Marktplatz und Fanny Ardant im Museum – war das nicht alles erst gestern?

Aber nein. Es ist so viel passiert. Keine Autos parken mehr auf dem Marktplatz. Die Nordtangente wurde nie gebaut – gottseidank! „Erst der Mensch und dann das Auto“, so lautete die Parole schon vor über 40 Jahren.

27.436, 8.452, UPM, ITZ und LTT
Verdutzt reiben wir uns die Augen: Die Uniklinik versorgt nicht nur den Regierungsbezirk, die BG Klinik hat einen formidablen Ruf. Patient*innen kommen aus anderen Bundesländern und reisen zu Dir durch die halbe Republik.

27.436 Menschen studieren an Deiner Universität. 8.452 Professor*innen, wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Angestellte sind für uns da. Auf der Oberen Viehweide wird an KI geforscht und im Neckartal vielleicht bald an Batterie-Technologien für die Elektromobilität der Zukunft. Das „Tübinger Modell“, man kennt es im Kanzleramt.

Mensch Tübingen, bist Du gewachsen, oder bin ich geschrumpft? Dein Charme ist nach wie vor derselbe, Du kleine große Stadt! Mit Schokomarkt und UPM, mit ITZ und LTT!

Kein Wunder, dass so viele Menschen kommen. Von nah. Von fern. Jeden Tag. Oder nur einmal im Leben. Sie verweilen hier und tragen Deinen Ruf in die Welt. Heute stehen sie im Stau. Sitzen sie morgen in der TüTram?

Keine Insel
Tübingen ist keine Insel. Dieser Satz begleitet Dich schon lange. Und wir haben irgendwann das Gespür verloren dafür, wie vielen Menschen diese Stadt viel bedeutet.

Tübingen, Du hast Wachstumsschmerzen. Deine Straßen wachsen nicht mit dem Verkehr. Deine Gas-, Wasser- und Stromleitungen müssen aber wachsen, und die Datenleitungen auch. Denn die Stadt der 60.000, die gibt’s nicht mehr. Du bist eine Stadt der 91.000. Doch endlos wachsen sollst Du auch nicht. Lassen sich also die 100.000 vermeiden? Nicht, wenn Du alles in Deinem Inneren abwickeln willst!

Ja, aber wohin?
Wohin also soll die Reise gehen? Wohin willst Du Dich entwickeln? Wie bewegen wir uns fort – und wieder heim? Wie kommen die Menschen zu uns? Und wie kriegen wir sie wieder weg? „Erst der Mensch und dann das Auto“ hieß es schon vor über 40 Jahren. Geändert hat sich seither viel. Der TüBus ist super. Aber nur für die Insel, die Tübingen nicht ist. Fast alles, was über die Stadtgrenze hinausgeht, wird mit dem Auto erledigt. Weil die PKWisten keine Alternative sehen: Weil der Bus diese Alternative nicht ist.

Na klar
Tübingen, na klar: Du liegst uns am Herzen.
Gerade weil Du keine Insel bist, brauchst Du Dein Umland. Die Region ist Deine Familie. Bewahre Deinen „kleinstädtischen Charme“. Das geht: indem Du über Deine Grenzen hinauswächst. Indem Du neu denkst. Wenn die Menschen aus dem Dorf zu Dir ins Kino kommen. Wenn sie bei Dir einkaufen. Wenn Wohnen, Arbeitenund Freizeit nicht zwingend am selben Ort gelebt werden.

Ja?
Tübingen, willst Du Dein Leben Hand in Hand mit Deinen guten Nachbarn gestalten? Willst Du Dir etwas Gutes tun? Ja?
Dann sag’ Ja zu Dir.
Und sag’ Ja zur Stadtbahn.